Ende Juli habe ich zu einer Community-Challenge aufgerufen und euch nach euren Journaling-Geschichten gefragt. Wie seid ihr zum Journaling gekommen? Alles über Miras Weg zum Schreiben und ihren liebsten Schreibimpuls erfährst du in diesem Gastartikel.
Mein Weg zum Journaling
Das Schreiben ist mein atmen.
Wie es zu einem überlebenswichtigen Teil in meinem Leben wurde, möchte ich dir in diesem Beitrag näherbringen.
Anderssein als Qual
Ich war schon als kleines Kind sehr emotional und wusste nicht, was ich mit all den Emotionen in mir anstellen sollte. Ich fühlte mich überfordert und unverstanden.
Noch dazu war ich sehr feinfühlig und spürte sofort, wenn etwas in der Luft lag. Ich wusste bloß nicht, wie ich mich abgrenzen sollte und irgendwann wusste ich nicht mehr, was meines ist und was nicht. Ich wusste nicht, wer ich bin und wer ich sein möchte. Doch eines wusste ich bzw. habe ich gespürt – ich bin anders.
Doch dieses Anders, das hatte niemand verstanden. Eher fühlten sich die Menschen um mich herum dadurch überfordert. So habe ich das Gefühl bekommen, nicht verstanden zu werden. Weil man als Kind durch die Spiegelung von Erwachsenen (im Regelfall den Eltern) erst den Umgang mit Gefühlen lernt, ich aber merkte, dass niemand mit meinen Gefühlen klarkam, konnte ich mich selber nicht verstehen. Ich lernte nicht, wie ich mich selber halten kann, wenn eine Flut an Emotionen mich durchfließt. Ich lernte nicht, dass auch schwere Gefühle wie Trauer und Wut nichts Bedrohliches sind. Was ich lernte war, dass ich zu viel bin. Dass dieser Sturm in mir zu viel ist. Dass alles in und an mir zu viel ist.
Das Schreiben als Bewältigungsstrategie
Ich griff schon in der Grundschulzeit, nachdem ich das Schreiben gelernt hatte, zu Papier und Stift und schrieb meine eigenen Songtexte. Damit verarbeitete ich den Schmerz in mir. Sie waren oft melancholisch und mein Umfeld brachte mir immer wieder Erstaunen entgegen, wie ich in einem solch jungen Alter so bewegende Themen in Worte formen konnte. Hier habe ich oft zu hören bekommen, ich solle doch auch mal etwas Fröhliches schreiben.
Leider hatte mich nie jemand gefragt, warum ich überhaupt melancholisch schrieb und was genau hinter diesen Worten steckte. Die Melancholie war ein großer Bestandteil meines Innenlebens und das Schreiben war meine Art, es auszudrücken – mich auszudrücken.
Von da an schrieb ich. Das Schreiben begleitete mich in meiner Jugend, als ich unter Anorexie litt, die mich nah an den Tod heranbrachte. Das Schreiben beatmete mein schwachgewordenes Herz (neben der Unterstützung meiner beiden Therapeutinnen – ich fühle große Dankbarkeit!). Das Schreiben war auch während einer Depression an meiner Seite und half mir, nicht in diesem schwarzen Loch zu versinken, was mich tagtäglich umgab.
Noch heute ist es meine Bewältigungsstrategie, um mit dem, was in meinem Leben passiert, klarzukommen. Mittlerweile komme ich gerne und gut damit zurecht. Ich fühle mich nicht mehr alleine und unverstanden, denn mit dem Schreiben komme ich mit mir selber ins Gespräch. Ich selbst bin es dann, die mich sieht, mir zuhört, mich versteht.
Das Schreiben hat mir gezeigt, wie ich mich selber halten kann.
Der Wandel meines Schreibens – intuitives Schreiben
Mittlerweile schreibe ich nur noch selten Songtexte und stattdessen öfter Gedichte und Poetry Slam-Texte. Was ich jedoch jeden Tag aufschlage, ist mein Journal. Ich schreibe am liebsten direkt morgens, wenn ich noch im Bett liege. Deshalb liegen mein Journal und mein Stift auch direkt auf meinem Nachttisch. Meine Schreibroutine variiert von Zeit zu Zeit und genau das liebe ich am Schreiben – es gibt keine Regeln. Es gibt kein „So ist es jetzt und deshalb muss es auch für immer so bleiben“. Ich schaue intuitiv, worauf ich gerade Lust habe und was mich in meinem Leben unterstützen könnte.
Gerade besteht meine morgendliche Schreibroutine daraus, eine Erkenntnis des vorigen Tages aufzuschreiben, drei Punkte aufzuschreiben, wofür ich dankbar bin und dann 11 Minuten intuitiv zu schreiben.
Deshalb nenne ich meine Schreibpraxis auch nicht mehr Journaling, sondern intuitives Schreiben. Denn ich schreibe frei. Zumindest so frei, wie es meine Gedankenmuster zulassen. Schreiben bedeutet für mich Freiheit. Frei ich selbst sein und durch das Schreiben immer mehr erkennen, wer und was dieses Selbst überhaupt ist. Wer bin ich wirklich? – Diese Frage hat mich zum Schreiben geführt. Auch wenn ich es damals, in so jungen Jahren, noch nicht wusste.
Ergänzung des intuitiven Schreibens durch Meditation
Heute möchte ich genau das an Menschen durch Workshops und 1:1-Begleitung weitergeben. Da ich auch als Lehrerin tätig bin, weiß ich, was für Vorstellungen viele vom Schreiben haben. Dabei geht es beim intuitiven Schreiben niemals darum, grammatisch oder orthographisch richtige Sätze zu formulieren, sondern Sätze zu bilden, die deinem Inneren entspringen. Es geht auch nicht darum, den perfekten Spannungsbogen zu haben oder ein bestimmtes Genre zu vertreten. Es kommt auch nicht darauf an, wie ordentlich deine Handschrift ist oder wie wunderschön dein Journal gestaltet ist.
Auf den Punkt gebracht formuliert, geht es um DICH. Es geht um deine inneren Prozesse, um deine Gefühle und Gedanken, um das, was dich tagtäglich bewegt. Es geht um DICH in DEINER ECHTESTEN VERSION. Daran kann niemals irgendetwas falsch sein.
Um mit dieser Version von dir in Kontakt zu kommen, leite ich vor jedem Schreibimpuls eine Meditation an. So kannst du besser wahrnehmen, was in dir los ist. Auch ich meditiere in der Regel, bevor ich schreibe.
Mein Schreibimpuls für Dich
Auf Grund meiner Geschichte möchte ich dir als meinen Lieblingsschreibimpuls den „Selbst Dialog“ mitgeben.
Du kannst ihn zu einem Gefühl oder Thema in dir führen, was dich beschäftigt oder auch zu einer körperlichen Beschwerde. Am besten ist es, wenn du vor dem Schreiben eine Meditation machst, durch die du dich besser in dich hineinfühlen kannst.
Ich nehme hier als Beispiel einmal den Magen.
1. Mache eine kurze Meditation, durch die du dich mit dir selbst verbindest und mit dem Thema/Gefühl/Körperorgan in Kontakt trittst, hier mit deinem Magen.
2. Fange nun an, zu schreiben und spreche deinen Magen direkt an.
Hallo Magen. Ich habe lange nicht mehr mit dir persönlich gesprochen. Wie geht es dir? Lasse ihn intuitiv antworten und schreibe seine Antwort auf.
3. Frage nach dem Warum.
Warum geht es dir so, Magen?
Lasse ihn auch hier antworten und schreibe seine Antwort auf. Wenn dir ihre Bedeutung nicht klar ist, frage nach. Du kannst auch immer wieder „Warum?“ fragen, um an den Ursprung zu gelangen. Wichtig ist, dass du alles aufschreibst und nicht zu sehr ins Nachdenken gerätst.
4. Wenn du meinst, du hast genug Informationen erhalten, frage deinen Magen: Wie kann ich dich unterstützen? Was brauchst du jetzt gerade?
Schreibe auch die Antworten auf.
5. Wenn du spürst, genug Auskunft von deinem Magen bekommen zu haben, dann beende den Dialog in Dankbarkeit.
Ich danke dir, Magen, für deine Antworten. Ich liebe dich.
Du kannst den Dialog natürlich durch individuelle Fragen und eigene Formulierungen ergänzen. Fühle dich auch hier ganz frei und vertraue deiner Intuition.
Ich wünsche dir ganz viel Freude dabei!
Alles Liebe zu dir
deine Mira
Auf Miras Webseite findest du weitere Informationen zu ihr und ihren Angeboten.
Meinen Blogartikel über meinen Weg zum Journaling und der Schreibtherapie findest du hier.
Falls du jetzt Lust bekommen hast, auch über deinen Weg zum Journaling zu schreiben, dann kannst du noch bis zum 1.9. bei der Community-Challenge mitmachen.