Das Schreiben ist mein langjähriger Begleiter und ich habe ihm vieles zu verdanken. Der Weg vom akademischen Schreiben hin zum therapeutischen Schreiben war allerdings ein langer. Es bedurfte einiger Schreibpraxis, bis ich meinen Perfektionismus endlich über Bord schmeißen konnte. In diesem Artikel erfährst du, wohin mich mein Schreiben schon geführt hat und wie. Alles begann nicht mit einem Tagebuch, nein, es begann so richtig mit einem Brief an meinen verstorbenen Vater.
Gerade flatterte der Newsletter von Susanne Berg in mein Postfacht und erinnerte mich daran, dass ich doch auch noch unbedingt einen Beitrag zur Blogparade von Kerstin Salvador schreiben wollte. Es geht um die Frage, wohin hat dich dein Schreiben schon gebracht?
Schreiben in der Kindheit & Jugend
Ich begann früh viel zu schreiben, einfach weil wir in der Waldorfschule, auf die ich lange ging, unsere Schulbücher selbst schreiben mussten. Wir bekamen Texte, die wir anschließend täglich in Schönschrift abschreiben mussten, gezeichnet wurde auch. Ich werde mich demnächst mal auf den Weg in den Keller machen und nachträglich ein paar Fotos von diesen heften einfügen. Was ich damals schon lernte, Schreiben bedeutet Perfektion.
Auch in den späteren Poesiealben war diese gefragt.
Erst vor einigen Jahren konnte ich diese Perfektion wirklich ablegen, dazu später mehr.
Schreiben nur für mich, das tat ich lange nicht. Ich schrieb zwar schon immer gerne aber wie positiv sich das Schreiben auf meine Gesundheit auswirken kann, das wusste ich lange nicht.
Ich glaube das erste Mal schrieb ich so wirklich nur für mich, als ich mit ca. 10 Jahren mein erstes Buch im Hort schrieb, „Das Mädchen und das goldene Pferd“.

Viele Jahre lang hatte ich Brieffreundschaften , die ich über den Ponyclub, einem pferdebezogenen Buchclub kennenlernte. Leider besitze ich diese Briefe nicht mehr. 😢
Über diesen Ponyclub kam ich irgendwann auch an eines meiner ersten Tagebücher, okay, es war ein Buch zum Ausfüllen und nicht zum freien Schreiben.
Dieses Buch muss ich tatsächlich noch irgendwo haben, ich werde mich demnächst mal auf die Suche machen und mir angucken, welche Fragen mir dieses Journal stellte. Ich weiß, dass ich monatlich nach meinem Traumtypen gefragt wurde, an mehr erinnere ich mich aber nicht mehr. 😀
Einige Jahre danach versuchte ich mich das erste Mal im traditionellen Tagebuchschreiben, empfand dieses aber immer eher als Zeitverschwendung. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass ich bereits mit 12 Jahren mit größeren gesundheitlichen Problemen konfrontiert war und schon damals tiefer gehen wollte, als mir das ein Tagebuch zu ermöglichen schien. Was war der Sinn des Lebens und wie konnte ich unabhängig werden?
Journaling & die Suche nach der Schreibtherapie
Mein Schreiben hat mich Dinge fühlen, durchleben und verarbeiten lassen, so wie es Gespräche nie geschafft hätten.
Als mein Vater plötzlich starb, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als über meine Gefühle und meine Trauer mit jemandem sprechen zu können, der einfach nur zuhörte. Aber der Tod und die Trauer überfordern die Menschen, so oft wird mal mit leeren Floskeln wie „Mein Beileid“ und „Zeit heilt alle Wunden“ konfrontiert.
Dabei war die Trauer die letzte Verbindung, die mir zu meinem Vater blieb, ich wollte über diesen Schmerz und die Liebe sprechen können und mich auch an schöne Erlebnisse mit ihm erinnern können, aber da war niemand, mit dem ich über meinen Vater sprechen konnte, denn nach seinem Tod war die Familie komplett auseinander gebrochen, er war das Bindeglied, das plötzlich nicht mehr da war.
Wie sehr hätte ich damals schon das Buch „Meine Trauer wird dich finden: Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit“ von Roland Kachler* gebraucht.
Leider fand ich dieses Buch erst 2 oder 3 Jahre nach dem Tod meines Vaters. Ich kann diesen neuen Ansatz der Trauerarbeit nur empfehlen, er kann dich dabei unterstützen deinen ganz eigenen Umgang mit der Trauer zu finden.
Ein Jahr nach dem Tod meines Vaters griff ich mir das schönste Journal im Haus, ein Journal das bisher für alles zu schön gewesen war und schrieb einen ersten Brief an meinen Vater. Bis heute habe ich durch dieses Journal das Gefühl immer noch mit meinem Vater verbunden zu sein.
Als ich 2016 begann an meinen Vater zu schreiben kannte ich den Begriff Journaling zwar schon, aber ich verband damit Journals die bestimmte Schreibimpulse vorgaben und hatte immer das Gefühl mit den Impulsen meine Zeit zu verschwenden, denn sie gingen mir nicht tief genug und zeigten bei mir nur wenig Wirkung.
Alles änderte sich als mir das Buch „Das Leben meint es gut mit dir“ von Irmtraud Tarr Krüger* in die Hände fiel. Ohne dieses Buch und das Schreiben hätte ich die Zeit als pflegende Angehörige meines Opas vermutlich nicht so glimpflich überstanden und wäre tatsächlich in eine Depression abgerutscht.
Leider finde ich das Buch von Irmtraud Tarr Krüger gerade nicht, ich wollte ihre Scheibübung mit euch teilen, das werde ich noch nachholen, wenn ich das Buch gefunden habe.

Anschließend begleitete mich das Buch Mindcleanse: Fühlen statt denken von Julia Bleser* eine Weile. Julia stellte mir in ihrem Buch endlich die richtigen Fragen, Fragen, die mir tiefgründig genug waren. 😍
Im ersten Lockdown 2020 fing ich dann endlich an mir meine ganz eigenen, auf mein Leben zugeschnittenen Fragen zu stellen, und das veränderte so vieles. Das Schreiben tat mir so gut und bot mir in einer herausfordernden Zeit sehr viel Halt.
2021 gab es neben der Coronapandemie für mich noch andere Herausforderungen zu verarbeiten, eine Kündigung und viele Gespräche mit Anwälten und Versicherungen. Ich war mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem ich ganz selbstverständlich zu meinem Journal griff und schrieb, und ich probierte zu diesem Zeitpunkt auch etwas Neues. Ich verband das Schreiben mit langen Spaziergängen.
Jahrelang hatte sich so viel Wut in mir angesammelt, eine Wut, der ich nie Raum geben konnte. Das Schreiben gab mir letztendlich diesen Raum und ich konnte mich schreibend meiner Wut entladen.
Meine Texte waren kurz und knapp. Sie brachten es auf den Punkt und ermöglichten es mir endlich zu sehen, dass meine Wut nicht unbegründet war. Schreibend erforschte ich die Gründe für meine Wut und Wege aus der Wut heraus.
Bis heute habe ich Probleme damit, meine eigenen Texte vorzulesen, das finde ich aber auch okay, denn meine Texte sind sehr persönliche Texte und nur wenige von ihnen sind für die Ohren anderer bestimmt.
Meine Wuttexte las ich in dieser Zeit allerdings meinem Freund vor, das half ihm, mich besser zu verstehen und auch mir half es sehr.
Durch das Vorlesen konnte ich alle Emotionen entladen und Tag für Tag wurde meine Wut langsam kleiner bzw. veränderte sich in eine davor nie dagewesene Kraft.
Nach dieser Erfahrung war mir klar, das Schreiben hat eine therapeutische Wirkung auf mich.
Gab es vielleicht so etwas wie therapeutisches Schreiben? Meine Ärzte verneinten es und so schrieb ich erst einmal alleine weiter. Aber ich begann zu recherchieren und entdeckte, dass es doch so etwas wie Schreibtherapie gab, in Amerika auch Journal Therapy genannt.
Und so begann ich mich weiterzubilden, besuchte Kurse zum therapeutischen Schreiben, zur Poesietherapie und zum Journaling. Und ich meldete mich zum Neujahrsschreiben bei Birgit Schreiber an. Trotz allem blieb ich jemand, der lieber in Ruhe alleine schreibt, ohne den Druck irgendetwas vorlesen zu müssen.
Irgendwann werde ich einige meiner Texte in Form einer Autobigrafie veröffentlichen, aber jetzt noch nicht, denn ich bin noch im Wandel.
Meine schreibtherapeutischen Texte sind meist eher kurz (diese Kürze tut mir gut), nur wenn ich mal wieder die Pennebaker-Methode & das Expressive Schreiben anwende oder Morgenseiten schreibe werden sie etwas länger.
Aber zurück zu Autobigrafie. Mit dem autobiografischen Schreiben begann ich 2010, als ich nach dem Abi nach Dublin zog.
Der größte Unterschied zwischen therapeutischem und autobiografischen Schreiben ist meiner Meinung nach der, dass das biografische Schreiben einer literarischen Form entspricht, beim therapeutischen Schreiben steht der heilsame Effekt im Mittelpunkt und die Texte müssen sich somit an keine Regeln halten, man darf Fehler machen, Sätze nicht beenden und seine Gedanken ungefiltert aufs Papier bringen. Mehr dazu findest du in meinen Leitsätzen für das Schreiben zur Selbsthilfe.
2021 begann ich damit ausgewählte schreibtherapeutische Texte aus den letzten Jahren in Reinschrift zu bringen, um diese später in einen autobiografischen Text einfließen zu lassen. Es waren vor allem meine Wut-Texte.
Biografisches Schreiben
Mein Lebensgeschichte schreibend festhalten und verstehen, das wollte ich schon lange. 2010 fing ich, wie bereits geschrieben damit an, aber diese Texte „Valeskas Wege zum Glück“ wurden irgendwann eher zu traditionellen Tagebucheinträgen, also Schilderungen meiner Tage in Dublin, ohne, dass ich viel reflektierte oder meine Gefühle mit einbrachte. Nach einigen Monaten verlor ich den Spaß daran.
Warum ich damals nicht auf die Idee kam nach Kursen zu suchen, weiß ich nicht mehr. Ohne Kurs und ohne Plan geriet das biografische Schreiben in Vergessenheit.
Erst durch das Journaling und meine kürzeren autobiografischen Texte wurde ich wieder daran erinnert.
Aber war ich vielleicht generell einfach noch zu jung für eine Biografie? Immer wieder kam das Leben dazwischen, und es gab andere Texte, die erst einmal wichtiger erschienen.
Als nach dem Tod meines Vaters die Probleme mit meiner Mutter immer größer wurden, begann ich mir Notizen zu unseren Gesprächen zu machen. Erst vor Kurzem habe ich mich an dieses Journal erinnert und diese Texte, die ebenfalls irgendwann in meine Biografie einfließen werden. Diese Texte halfen mir von 2019 bis 2022 die ganze Situation besser zu verstehen und einen Kontaktabbruch vorzubereiten. 🍀🍀🍀
Der Gedanke an eine eigene Biografie überfordert mich immer noch etwas, aber seit dem autobigrafischen Schreibkurs „Autor:innen des Lebens“ bei Ann-Christin habe ich etwas mehr Sicherheit gewonnen, und sogar mittlerweile ein Inhaltsverzeichnis für mein ganzes bisheriges Leben erstellt. Dieses gibt mir die Struktur, die mir so lange für ein so großes Schreibprojekt gefehlt hat.
Mir gefällt der Gedanke, dass andere irgendwann mehr über mein Leben und all die Hochs und Tiefs, die ich durchlebt habe, lesen können werden.
Schreiben für einen Neuanfang
Der Zauber der Neuanfänge hat mich 2010, als ich nach Dublin zog, so richtig gepackt und danach nie wieder so ganz losgelassen.
So schnell wird man von Mitmenschen in Schubladen gesteckt und verliert sich im Alltag, da scheint ein Neuanfang oft gar nicht mehr so greifbar. Und ein Neuanfang, ohne dass man dafür gleich umziehen muss ist noch mal schwieriger.
Aber vielleicht gibt es doch ein paar Möglichkeiten!?
Ostern 2025 habe ich mir ein kleines Osterjournal besorgt, eigentlich erst einmal nur um in der Osterzeit zu journalen, als ich mit dem Schreiben begann, war da allerdings gleich wieder dieser Wunsch nach einem Neuanfang, raus aus Routinen und einem Leben, das ich so nicht weiter leben wollte, also begann ich mir Gedanken zu machen.
- Ist ein Neuanfang möglich?
- Was hält mich bisher davon ab?
- Wie könnte er gelingen?
Ich erinnerte mich an das Buch „Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut, sich nicht zu verbiegen“* und auch an meine Kriseninterventionsweiterbildung und daran, wie wichtig Routinen für Veränderungen aber auch den Weg raus aus der Krise waren.
- Welche Routinen können mich auf dem Weg zum Neuanfang unterstützen?
- Was für ein Leben möchte ich leben?
- Und was stört mich an meinem bisherigen?
Ich schrieb mir in den nächsten Tagen nach und nach Routinen auf, die mich unterstützen konnten.
Ende Mai konnte ich dann endlich verkünden, der Neuanfang ist gelungen, ich bin mitten drin. 🎉🍀 Generell kann ich empfehlen nicht zu lange zu planen, sondern so schnell wie möglich in die Umsetzung zu gehen.
So kann ich dich unterstützen
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Gerade arbeite ich auch an einem ersten generellen Journaling-Onlinekurs oder Workshop (das steht noch nicht ganz fest) und im November oder Dezember 2025 wird es eine mehrwöchige Schreibchallenge für Töchter narzisstischer Mütter geben, mit ganz viel Austausch mit anderen Betroffenen. Näheres erfährst du in meinem Newsletter.